Montag, August 24, 2009

give up the fight.

ich wusste vorher nicht, dass ich jemals in der lage sein könnte, jemanden zu pflegen und ich war immer wieder überrascht, wie leicht es mir gefallen ist, ihm aus dem bett helfen, ihn anzuziehen, in den rollstuhl zu hieven, zu waschen, zu rasieren, ihm was zu kochen und nebenbei auch noch so zu tun, als würde alles wieder gut, obwohl ich es besser wusste.

die letzten wochen haben mich einiges an selbstbeherrschung, organisationstalent und kraft gekostet. ich bin unendlich viele kilometer gefahren, habe meine gleitzeit bis zum erbrechen ausgereizt und meinen urlaub so genommen, dass er nicht allein sein musste. ich habe es gern getan, weil ich mich nur zu gut daran erinnere, dass er all das auch für mich getan hat. früher. als tatsächlich noch alles gut und ich noch klein war.

ich habe mir aber auch immer auszeiten genommen. ich bin mit meinen mädels weggefahren, habe konzerte und festivals besucht und versucht, das leben nicht so schwer zu nehmen. trotzdem bin ich bei jedem anruf von zu hause zusammengezuckt. wann immer die nummer meiner mom oder meines bruders auf dem display erschien, brach mir der kalte schweiß aus, immer dachte ich, JETZT... jetzt kommt sie, die hiobsbotschaft. ich hatte immer angst, dass am anderen ende jemand sagen könnte, dass es vorbei ist.

und jetzt? zwei durchwachte nächte im krankenhaus später, zwei nächte, in denen die ärzte uns gesagt haben, dass sie alles getan hätten und es nicht mehr lange dauern würde, HOFFE ich, dass dieser anruf kommt. oder dass mich niemand anrufen muss, weil ich bei ihm bin.
ich möchte, dass er mit ein bisschen würde abtreten darf. das hätte er mehr als verdient. es ist unerträglich, ihn so hilflos zu sehen und ich weiß, dass er das niemals gewollt hat. das letzte mal, dass er mir das gesagt hat, liegt keine drei wochen zurück.

ich versuche verzweifelt, stark zu sein, nicht zu heulen und ich scheitere grandios bei diesem unterfangen. ich sitze zwei stunden an seinem bett, halte seine hand, versuche, ihn zu beruhigen und dann ist es vorbei mit meiner selbstbeherrschung.
ich wäre so gern die starke schulter, jemand, auf denen meine mom zählen kann, von dem sie weiß, dass er alles regeln wird, aber ich breche sehr viel öfter in tränen aus, als mir lieb ist. während sie an seinem bett sitzt, bringe ich meine oma nach hause, sorge dafür, dass sie isst und schläft und flüchte dann in meine wohnung. nicht ohne zu wissen, dass ich morgen wieder im krankenhaus sein werde. und erst recht nicht, ohne zu wissen, dass es morgen noch sehr viel schlimmer sein könnte. wobei... WAS genau könnte eigentlich noch schlimmer sein?

ich habe mich tapfer gehalten bis zu dem moment, in dem mein bruder mir weinend im gang des krankenhauses gegenüberstand. ich kann viel ertragen, aber mein bruder mit rotgeweinten augen übersteigt meine kraft um einiges.

wie gern würde ich sagen, dass ich gefasst bin. vielleicht auch „auf das schlimmste gefasst“, aber in wahrheit bin ich einen scheiß. ich reiße mich zusammen, aber ich weiß nicht, wie lange das noch funktionieren wird. und ich weiß auch nicht, wie lange das noch sinn machen soll. wieso SOLL ich mich zusammenreißen? da geht ein mensch, der IMMER für mich da war, der noch sein letztes hemd für mich gegeben hätte, zu dem ich immer aufgeschaut habe und der mehr erlebt und ertragen hat, als ich mir jemals vorstellen kann.

ich sehe ihn einen aussichtslosen kampf kämpfen. ich kann sehen, wie sein herz aussetzt, ich kann sehen, wie seine atmung aussetzt und ich sehe, wie sein gehirn beides immer wieder zum weitermachen antreibt.

ich bräuchte eine starke schulter. ich bräuchte jemanden, der meine hand hält. ich bräuchte jemanden, der keine fragen stellt, sondern einfach meine tränen wegwischt. aber ich muss funktionieren. ich KANN jetzt nicht durchdrehen, auch wenn das alles ist, was ich will.

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