das stöbern in online-communities fördert ja durchaus menschen zu tage, die man lange nicht gesehen hat. unter umständen trifft man allerdings auch auf leute, an die man lieber nicht erinnert worden wäre.
in meiner „freundesliste“ befinden sich – bis auf einen - alle männer, die in meinem leben jemals eine rolle gespielt haben. ich treffe keinen von ihnen besonders oft, aber WENN wir uns sehen, ist es immer gut und richtig. mit dem einen mehr (arm in arm an der theke stehen, über früher reden, sich kaputtlachen und im morgengrauen – mit dem segen der aktuellen freundin - zu dem song tanzen, der irgendwann mal „unser lied“ war), mit dem anderen etwas weniger (begrüßungsumarmung, nicht über früher reden, sondern über jetzt, auch lachen, aber nicht SO, und trotzdem eine distanz wahren, die dem, was wir sind – ein ex-paar nämlich – irgendwie gerecht wird).
heute bin ich beim stöbern über den mittelstürmer gestolpert, der (mir) noch gefehlt hat. bezeichnenderweise auf dem profil des freundes, der uns damals verkuppelt hat. wenn auch eher aus versehen.
der stürmer ist der einzige, den ich seitdem nie wieder gesehen habe. wenn ich ehrlich bin, habe ich nicht mal besonders oft an ihn gedacht. ich war auch erst sicher, dass er das wirklich war, als ich das foto von seiner abschlussklasse gesehen hatte, denn DAS war der kerl, in den ich damals verliebt war. blond, unfassbar blaue augen, das umwerfendste lächeln und der coolste typ von allen mit seinem blind guardian-shirt und dem schwarz-weiß karierten hemd. er war schon damals der große star seiner fußballmannschaft, ich stand bei seinen spielen am spielfeldrand und wurde nach jedem tor theatralisch geküsst.
wir verbrachten unsere wochenenden in der kneipe mit dem schlechtesten ruf der ganzen stadt, dort, wo sich die punks und metal-freaks trafen, wo es immer nach gras roch, man sich weder um sperrstunden noch um anzeigen wegen nächtlicher ruhestörung kümmerte und jack daniels nicht gläser- sondern flaschenweise ausgeschenkt wurde.
der stürmer stellte mir die menschen vor, die ich nur aus der ferne kannte, mit denen ich aber unbedingt befreundet sein wollte, weil sie waren wie ich. und ein bisschen auch deswegen, weil man für die aufgedonnerten disco-tussis schon als wild und gefährlich galt, wenn sie erfuhren, wo und mit wem man sein wochenende verbracht hatte. ich war stolz, wenn sie angewidert die nasen rümpften, weil das meinen "underground-status" ja nur untermauerte.
exakt sieben wochen hat es gedauert, bis ich die rosarote brille abnehmen und klar sehen konnte: der stürmer war ein langweiler.
während ich samstagabend in besagter kneipe über die stränge schlug, wollte der stürmer spätestens um halb zwei nach hause, weil er ja sonntags fußball spielen und dafür fit sein musste. er ist aus lauter pflichtbewusstsein auch immer gegangen. meist eben ohne mich.
ein weiteres handicap für die junge liebe war die tatsache, dass ich der ausbildung wegen in einer anderen stadt lebte und wir uns nur am wochenende sehen konnten. nun sollte man meinen, dass ein telefongespräch die geografische entfernung ein bisschen überbrücken könnte. hätte es theoretisch bestimmt auch, aber der stürmer wohnte noch bei seinen eltern und durfte pro tag nicht länger als 15 minuten telefonieren. was mir, die ich, obwohl zwei jahre jünger als er, allein in dieser neuen stadt war, auf eigenen, wenn auch zeitweise recht wackligen füßen stand und niemanden in der nähe hatte, der mich hätte kontrollieren können, einigermaßen schockierte. ich fand es erschreckend, dass er sich so gängeln ließ, dass er sich den regeln beugte, statt dagegen zu rebellieren. das stand in einem so krassen gegensatz zu seinem image.
apropos image: sein größtes hobby nach dem fußball war das züchten von guppys. etwas langweiligeres konnte (und kann) ich mir beim besten willen nicht vorstellen. und ich kann mit sicherheit sagen, dass ich während der gerade so akzeptierten 15 minuten telefonat alles mögliche von ihm hören wollte, ganz bestimmt aber nicht, wie viele kleine guppys da gerade durchs aquarium schwommen.
letzten endes war er es, der die beziehung beendet hat. ICH war nicht die freundin, die seine eltern sich für ihn gewünscht haben und ER war nicht der freund, den ich mir für mich gewünscht habe. so gesehen war diese trennung völlig okay.
er lächelt noch immer sehr umwerfend, wie ich auf den aktuellen fotos sehen kann. aber er ist definitiv derjenige, der am wenigsten spuren hinterlassen hat. selbst wenn er mir das tor zu einer welt geöffnet hat, in der ich mich bis heute sehr zu hause fühle. aber es ist MEIN zu hause, seins ist es nie wirklich gewesen.
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