Mittwoch, September 14, 2005

i can't relax in deutschland

vielleicht kann man sich an alles gewöhnen, an was ich mich aber NIE im leben gewöhnen werde, sind die „deutschen stunden“ im radio am mittwochabend.
als dieses projekt gestartet wurde, hatte ich noch die hoffnung, dass jetzt vielleicht ein paar gute deutsche bands, die sonst nicht im radio stattfinden, eine plattform bekämen. und anfangs war das auch so. zumal mit dem sendeplatz zwischen 22 und 24 uhr auch die zeit für musik abseits der ausgetretenen pfade günstig war. da liefen plötzlich die sportfreunden stiller, die beatsteaks oder die donots und es wurde kein unterschied zwischen „deutsch“ und „deutschsprachig“ gemacht.
im ansatz war die idee also eigentlich gut, aber wie das mit dem kommerz immer so ist, dauerte dieser zustand nicht lange an. seit monaten sind „deutsche stunden“ gleichbedeutend mit liedern von grönemeyer, westernhagen, wir sind helden, juli, silbermond, laith al deen, nena und einer band, deren namen ich mir gar nicht erst gemerkt habe, weil ich das radio sofort ausschalte, wenn die ersten takte eines songs namens „bindungsangst“ erklingen. inzwischen breche ich schon in jubelstürme aus, wenn mal kettcar gespielt wird, obwohl die mit ihrem album in den oberen rängen der charts rangieren und somit auch nicht mehr wirklich unter die kategorie „aufstrebende bands“ fallen. bands, die zwar aus deutschland kommen, sich aber erdreisten englisch zu singen, werden mittlerweile komplett ignoriert. ich würde sagen, da ist das ziel „den eigenen nachwuchs fördern“ doch voll erreicht, oder?

was dann natürlich auch die frage nach dem WARUM aufwirft. aus welchem grund ist musik mit dem stempel „made in germany“ mit einem mal besser als andere? und IST sie das überhaupt? ich glaube nicht. oder zumindest nicht zwangsläufig. wer auf der aktuellen platte von westernhagen noch irgendwas innovatives findet, möge mir bitte eine mail schicken und mich eines besseren belehren! ist in dem fall nicht einfach der name der grund, warum seine songs gespielt werden? wieso nicht mal stattdessen olli schulz und der hund marie? oder tocotronic? oder tomte, die sterne, blumfeld, schrottgrenze, angelika express, muff potter? ich meine, HALLOHOO ... die SINGEN doch deutsch! manchmal frage ich mich, ob es am ende nicht genau DAS ist, was ihnen den platz im radio verbaut. jeder versteht, von was ihre lieder handeln und wer genau hinhört, müsste sich in der schlussfolgerung vielleicht mit den texten auseinandersetzen. und mal ehrlich, WER tut das schon?
was ich zum beispiel im fall von wir sind helden – um mir mal die kommerziell erfolgreichste band herauszusuchen - sehr bedauerlich finde, denn die texte von judith holofernes sind großartig. jeder kann den refrain von „gib mir nur ein wort“ mitsummen, aber wie vielen hörern sind zeilen wie „wenn du schon auf den mund fallen musst, warum dann nicht auf meinen?“ oder „ich will in deinem tiefen wasser hohe wellen schlagen!“ aufgefallen? und – um das mal weiterzuspinnen – wie viele hörer haben darüber nachgedacht, was sie damit sagen wollte, wie viele lassen sich auf die poesie ein oder versuchen gar, darin etwas zu finden, das auf sie selbst passt? die antwort? sparen wir uns das.

ein phänomen, das mich auch schwer nachdenklich macht, ist hiphop aus deutschland, allem voran alles, was sich so unter dem begriff „aggro berlin“ zusammengerottet hat. ich möchte mal wissen, wie sich ein … ähem … künstler wie fler anmaßen kann, sich schon nach einem relativ erfolgreichen titel selbst zum vorbild für die jugend aufzuschwingen. mit welchem recht tut er das? jemanden, der im video mit wehender deutschland-flagge durchs bild rennt, halte ich auf jeden fall für ein äußerst fragwüdiges idol.
mir stellen sich die nackenhaare auf, wenn ich sehe, dass man plötzlich anfängt, „deutsch sein“ wieder toll zu finden. WAS genau ist daran denn toll? die antwort „es ist doch unsere heimat!“ habe ich mehr als ein mal gehört und genauso oft auch nicht verstanden. ist heimatgefühl wirklich an ein land gebunden? wären nicht auch die oster-inseln zu hause, solange wir dort mit den menschen zusammen sein könnten, die wir mögen, mit denen wir gern unsere Zeit verbringen, die uns verstehen? für mich ist heimat kein ort, sondern ein gefühl.

mehr dazu: www.icantrelaxin.de

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